Alle Themen dieser Welt in drei Rezensionen abzuhandeln, das schafft nur das Studio B – Kollektiv. Und dennoch bleibt Klärungsbedarf: zur Diskussion!
Alle Themen dieser Welt
„Sei Wasser“ sagte einst Bruce Lee (und heute 7 Millionen in Hong-Kong), „Das Leben, ist ein Fluss“ sagt Irmgard Lumpini und bespricht unter dieser Überschrift Diane Setterfields „Once Upon a River“, ein Episches Werk über das Leben an der Themse vor über 150 Jahren.
Zwischen zwei Wassern spielt, dem Hudson und dem East River spielt, traditionsgemäß, die Handlung von Siri Hustvedts „Was ich liebte“, besprochen von Anne Findeisen.
Und gänzlich unter, auf und im Wasser aller Art: Ozean, Amazonas oder Nährlösung spielt der abgefahrenste Roman seit langem: „The Death and Life of Schneider Wrack“ von Nate Crowley, hier besprochen in einer Rezension in der Herr Falschgold ohne mit der Wimper zu zucken noch locker William Ford Gibson und James Joyce mit reinpackt.
Und das sind sie: alle Themen dieser Welt, wie wir in der Diskussion feststellen werden.
Was sie liebte
Auch durch die Darstellung zwischenmenschlicher Verhältnisse, wie zum Beispiel dem Betrug, wirft sie Fragen auf, wie die nach einem unsichtbaren Dritten, oder der, ob man einen Menschen durch einen anderen wahrnehmen kann, ohne dessen Anwesenheit. Gleichzeitig steht dabei auch immer die Frage nach dem Selbst im Raum.
“Once Upon a River” handelt vom Leben, von der Sinnmachung der Welt durch Märchen und Mythen und Entdeckungen und natürlich, kein Märchen kommt ohne sie aus, von der Liebe, erfüllter und unerfüllter.
Es gibt so Bücher, da quält man sich. Ob man das muss, gerade als freier, unbezahlter Rezensent, aber auch als schnöder Leser von Büchern, es ist ein ewiger Streit. Ein Streit in dem Anzahl und Wehemenz bejahender Argumente reziprok mit dem Alter des Argumentierenden korrelieren. ????
Jedes Jahr um den Nikolaus herum sitzen sie in der Falschgoldschen Küche: Irmgard Lumpini, Anne Findeisen und Herr Falschgold. Eine/r hustet meistens, eine/r hat schon einen Glühwein getrunken, oder drei, und dann klopft es an der Tür und freudig rennen die Kinderlein, denn der Mikis, der Wesensbitter, steht vor der Tür und bringt wieder Bücher, von denen hier noch nie jemand etwas gehört hat. Dem stehen die drei Vollmitglieder des Studio B – Kollektivs jedoch in nichts nach, nein, auch sie packen aus und die Empfehlungen in eine alljährliche Podcastepisode, damit alle etwas davon haben – nicht nur die, die die Diskussion darüber durchführen, sondern auch die, die vorweihnachtliche Furcht vor Verschenkversagen fühlen. Hat hier jemand noch Restalkohol?
Hier zum Bestellen und Verschenken die Liste der Bücher – und natürlich gibt es nicht nur einen Onlinehändler, es gibt mehrere und, nein?, doch!, Oooh!, den Buchhändler um die Ecke, der auch eine Katze hat, die am Weihnachtsabend gefüttert werden will.
Anne Findeisen
- Daniel Pennac „Wie ein Roman“
- Jürgen Meyerhoff „Ach, diese Lücke, diese entsetzliche Lücke“
- Else Lasker-Schüler „Wir Beide. Die schönsten Liebesgedichte“
Irmgard Lumpini
- Sibylle Berg “GRM” – Brainfuck
- Bill Cunningham: On the Street: Five Decades of Iconic Photography
- Bill Cunningham: Fashion Climbing: A New York Life
Herr Falschgold
- Jeffrey Steingarten – The Man Who Ate Everything
- Jasper Fforde – Die Thursday Next Reihe
- Ian Mc Ewan – Die Kakerlake
Mikis Wesensbitter
Let’s Talk about.. Theater!
Anders als im Theater kann man sich in einer Diskussion nicht hinter Kunstfiguren und Alter Egos verstecken, da wird ohne Handschuhe geboxt, es fließen Tränen und auch Blut. Aber vielleicht auch nicht. Oder doch?!
Was ein Theater!
Theater, die Schauspielerei, für manche ist es Kunst, für andere Mittel zum Zweck, zur Unterhaltung, zum Fühlen, zum die Wahrheit sagen, wo Illusion erwartet wird. Man kann sich erinnern, man kann protestieren oder einfach nur Beobachtungen mitteilen. Und, das Wichtigste, man hat eine Bühne, man wird gehört, und, das Schlimmste, hinterher darf jeder sagen, was er davon hält, was man gerade produziert hat. Heute:
Irmgard Lumpini, die den Roman „Girl, Woman, Other“ von Bernardine Evaristo las, Anne Findeisen, die das Gleiche tat mit Joachim Meyerhoffs „Ach, diese Lücke, diese entsetzliche Lücke “ und Herr Falschgold, der von Sally Rooneys Erstlingswerk „Conversations with Friends“ berichtet.
Anders als im Theater kann man sich in einer Diskussion nicht hinter Kunstfiguren und Alter Egos verstecken, da wird ohne Handschuhe geboxt, es fließen Tränen und auch Blut. Aber vielleicht auch nicht. Oder doch?!
..muss eine Anfang-Zwanzig-Jährige Autorin ungeschliffen und blind sein? Oder vergessen wir nur zu schnell, wie viel wir alle im Kopf hatten, zu einer Zeit, in der wir drei Biere brauchten um durch den Abend zu kommen?
Bereits im ersten Kapitel des Buches, welches den Titel Fünf Etappen trägt, wird dem Leser sehr eindrucksvoll der Alltag von Großmutter Inge und Großvater Hermann, der von Ritual, Disziplin und Skurrilität geprägt ist, geschildert. Bei den fünf Etappen handelt es sich um Getränke, deren Einnahme den Tag strukturieren. Bei den fünf Etappen handelt es sich um Getränke, deren Einnahme den Tag strukturieren. Punkt neun Uhr morgens beginnen sie ihren Tag mit einem Glas Champagner, wodurch es ihnen, wie Meyerhoff uns wissen lässt, gleich viel besser geht.
Die Leben ihrer Protagonistinnen reichen von Teenagern bis zu einer Frau in ihren 90ern, die jedoch nicht immer linear beschrieben werden.
Girl, Woman, Other ist ein Werk, dessen Welt vielen (noch) nicht bekannt ist, weil wir bisher nicht viele Gelegenheiten hatten, über sie zu lesen. Leseempfehlung!
Perspektiven
Die Mitglieder des Studio-B-Kollektivs sehen viele Dinge unterschiedlich, was die Diskussionen interessant und eigentlich nur deshalb gewaltfrei macht, weil wir alle ganz furchtbar zivilisiert sind (und Irmgard Kampfkunst beherrscht).
Für die Hörer bringt das den Vorteil, dass sie nicht nur sehr unterschiedliche Bücher vorgestellt bekommen, sondern neben dem Daumen hoch oder runter manchmal auch ein „nun ja…“.
Doppelt perspektivisch wird es, wenn zudem noch die Bücher selbst ihre Geschichte von unterschiedlichen Standpunkten erzählen und völlig unabgesprochen tun das alle heute vorgestellten:
Laura Lippmans “Lady in the Lake”, vorgestellt von Irmgard Lumpini, lässt viele Protagonisten selbst zu Wort kommen, um von zwei Morden im Baltimore der 1960er Jahre zu erzählen.
T. C. Boyle stellte in den frühen Neunzigern des letzten Jahrhunderts in “América”, leider immernoch aktuell, mexikanische Einwanderer und amerikanische Besitzstandswahrer gegeneinander auf. Anne Findeisen bespricht den Klassiker.
Und ganz frisch aus der Druckerpresse verwickelt uns Taffy Brodesser-Akner in “Fleishman Is in Trouble” in eine Scheidungsgeschichte von New Yorker Upperclassern, dass uns nur so schwindlig wird – findet Herr Falschgold.
Diskutiert wird hinterher logischerweise – wie immer zivilisiert. Kind of..
Taffy Brodesser-Akner schreibt ihre eigene Geschichte als Frau in einer Männerwelt, in ein Buch über einen Ehemann, der, in der heteronormativen Weltsicht die Ehefrau in der Ehe war und über Rachel Fleishman, die Ehefrau in der Rolle des karrieregeilen Ehemanns.
Let’s talk about.. Perspektiven
Diskutiert wird heute mal ausnahmsweise kontrovers 😉 – und wie immer zivilisiert. Kind of..
Baltimore
Laura Lipmanns Verdienst ist es, die Aufklärung der beiden Kriminalfälle, die es in diesem Jahr tatsächlich in Baltimore gab, niemals aus den Augen zu verlieren, aber dem Buch Dimensionen hinzuzufügen, die weit über das Genre Kriminalliteratur hinausreichen.
Mexico
Der Mensch hat eine Neigung dazu sich abgrenzen zu wollen. Vor allem gegen Dinge die ihm zuwider sind, weil sie beispielsweise seinen Besitz oder einfach seinen Komfortbereich bedrohen. Ein probates Mittel dafür scheint das Errichten einer Mauer zu sein. Dass gerade wir Deutschen uns mit diesem Thema auskennen muss nicht betont werden, dass wir dieses Jahr das 30jährige Jubiläum des Mauerfalls feiern können dagegen schon. Stellt sich nur noch die Frage was das alles mit T.C. Boyles 1995 erschienenem Roman América , oder im Original The Tortilla Curtain zu tun hat.