Dass sich die dem Genre namensgebenden Fantasien, die Träume, Hoffnungen oder wie in diesem Fall Ängste eineR 40-jährigen komplett von denen eineS 70-jährigen unterscheiden, liegt auf der Hand und so beginnt der erste Band der Broken Earth Trilogie, nicht unterhalb einer gigantischen Mauer, auf deren anderen Seite das Böse lauert, sondern mit einem toten Kind. Dem Einen wie der anderen dieses Klischee in die Schuhe zu schieben, ist ein bisschen schäbig, aber so ist die Welt der Literaturrezension, irgendwoher müssen die Klicks ja kommen.
Hoffnung
Daß man mit dem ganzen Shit um einen herum, dessen Eisspitze nur Trump heisst und der jetzt doch schon zwei, drei Jahre rumeitert, mindestens, nicht ganz allein ist, macht Hoffnung.
Dass man Autoren wie Stephen King hat, der Spannung mit Handwerk und dem richtigen Platz für’s Herz verbindet, oder Siri Hustvedt, die sich nicht beirren lässt von 280-Zeichen-Statements und wider die Gewissheit streitet und N K Jemisin, die das Genre „Dicker fetter Fantasyschinken“ mit sprachlichem Erfindungsreichtum und einem Sinn für Aufklärung bereichert ohne, auch nur einem Leser damit auf den Sack zu gehen:
Das macht Hoffnung und da bleibt selbst bei den dümmsten Provofragen des Herrn FG am Ende alles friedlich in der Diskussion. Das braucht man auch mal.
Alibi
Stephen Kings letzte Veröffentlichung „The Outsider“ ist ein prall gefüllter Poproman. Eine unglaubliche Vielzahl von popkulturellen Referenzen aus Literatur, Sport, Film, Fernsehen, Märchen und aktuellen politischen Gesellschaftsdebatten näht Stephen King zu einem Thriller zusammen, in dem es vordergründig um die Aufklärung eines brutalen Sexualmordes, letztendlich aber um die Macht des Bösen in all seinen Facetten und Ausprägungen bis hin zum Übernatürlichen und um die Frage geht, ob Freundschaft, Liebe, Solidarität, Vertrauen und Kooperation in unterschiedlich großen Zusammenhängen von der Zweierbeziehung bis hin zu Landkreisen über verschiedene Klassenschichten und Parteigrenzen hinweg eine Chance haben, das Böse zu besiegen.
Let’s Talk about.. Hoffnung
Wenn alle von allen Büchern begeistert sind, sich am Ende schwören der Anderen vorgestellte Werke zu lesen (ok, Herr Falschgold etwas vager) dann sind wir in der einen Sendung im Jahrzehnt ohne jeden Streit. Das braucht Ihr wie wir einmal.
..Das kann einem schon ganz schön auf den Geist gehen, es sei denn, man hat plötzlich einen Geistesblitz. Was ich damit sagen will? Dass sich Siri Hustvedts kürzlich im Rowohlt Verlag erschienener Essay Die Illusion der Gewissheit, oder The Delusions of Certainty, wie er im englischen Original heißt, genau mit diesem Thema befasst. Nämlich der Frage nach dem Geist. Was hat es mit diesem Begriff, den wir so leichthin benutzen auf sich?
„Die Probleme einer wohlhabenden Hippiemutter, die ihre Kinder nicht nur machen lässt, was sie möchten, sondern der die Montessorischule zu restriktiv für die Entfaltung ihrer drei Töchter war, so daß sie diese Homeschooled – diese Probleme habe ich nicht, will ich auch nicht haben und ich kann theoretisch wenig Empathie für diesen First-World-Shite entwickeln – hach, in diesem Buch aber irgendwie doch.“
Rückspiel
Halbzeit zwei. Es wurden die gleichen Bücher gelesen, wie in der letzten Sendung: Nathanial Hawthornes Kurzgeschichten, Michael Wolffs “Enthüllungsbuch” über Donald Trump “Feuer und Zorn” und Lisa Jewells “The Girls in the Garden” – aber besprochen werden sie jeweils von den Rezensenten, die sich in der Diskussion zur letzten Show nicht vorstellen konnten, daß sie diese Bücher auch nur ansatzweise interessieren. Das kann heiter werden.
Let’s Talk about.. Dritte Halbzeit
„..wir bringen Euch zum Bahnhof“ sangen sich die Mitglieder des Studio B Kollektiv nicht zu (verstehen nur Dresdner) aber blutige Nasen gab es zumindest verbal. Zwei gegen einen ist aber auch unfair, und Irmgard Lumpini und Herr Falschgold schämten sich am Ende vielleicht sogar ein bisschen.
Fight!
„Der Wahlsieg Donald Trumps ist sicherlich von vielen Menschen unterschiedlichster Schichten und
Herkunft mit Bestürzung aufgenommen worden. Doch nachdem man sich langsam damit
abgefunden hat, dass es sich bei seiner Präsidentschaft nicht um einen Irrtum handelt, lässt einen
dieses Buch erneut Kopfschüttelnd zurück. Bereits auf den ersten hundert Seiten berichtet Michael
Wolff so Ungeheuerliches, dass man sich erneut zu fragen beginnt, wie es sein kann, dass eine
Person wie Trump, zum Präsidenten der Vereinigten Staaten gewählt wurde.“
„Mir ist bewusst, dass sich Ansichten über Gesellschaft, andere Menschen oder das andere Geschlecht im Laufe der Jahre, Jahrzehnte, Jahrhunderte verändern. Allerdings halte ich es für unwahrscheinlich, dass Frauen vor knapp 200 Jahren in nur 2 Zuständen gebacken wurden: entweder als zarte unschuldige Wesen, die niemals und wenn schon, dann nur sehr leise und liebreizend sprechen, oder als vollkommen verderbte Kreaturen. Eine leichte Abwandlung gibt es nur im Alter, dann sind sie vertrocknet.“
„Ende 2017 fragte der Autor Michael Wolff den frisch gewählten 45. Präsidenten der USA, anders als seine Vorgänger sehr freizügig mit der Herausgabe seiner Handynummer, ob er die ersten Tage der Präsidentschaft als Chronist begleiten dürfe und erklärte, er plane ein Buch mit dem Arbeitstitel “The Great Transition: The First 100 days of the Trump Administration”. Immer einer Schmeichelei zugänglich lud Trump den Autoren ein, sich frei im neu bezogenen Weißen Haus zu bewegen..“
„..Der Garten in “The Girls in the Garden” namens Viktoria Park wird von Häusern unterschiedlicher Art umschlossen und von den Bewohnern, hauptsächlich aber deren Kindern, gemeinsam genutzt. Eine Oase inmitten der Metropole: auf der einen Seite viktorianische Villen, auf der anderen preiswertere Stadtbauten mit Mietwohnungen.“ In einer solchen beginnt “The Girls in the Garden”…“
Hinspiel
Wenn man jedem Rezensenten freie Hand lässt, was die Buchauswahl betrifft und man sowohl in der anschliessenden Diskussion kein wirklich übergreifendes Thema findet, als auch am Ende derselben zu dem Entschluss kommt, diese Bücher in verringtauschten Rollen nochmals rezensieren zu müssen, spricht das entweder für oder gegen die Bücher, für oder gegen die Rezensenten – auf alle Fälle aber für eine kontroverse Sendung.
Hier sind die Objekte der Konfusion:
Irmgard Lumpini las „The Girls in the Garden“ von Lisa Jewell. Anne Findeisen entdeckt die Welt der Kurzgeschichten für sich mit einem Klassiker: Nathaniel Hawthornes “Der Garten des Bösen”, und Herr Falschgold bespricht das am 16. Februar auf Deutsch erscheinende Enthüllungsbuch “Feuer und Zorn: Im Weißen Haus von Donald Trump”, geschrieben von Michael Wolff.
Let’s Talk about.. Hinspiel
Wenn man am Ende einer Diskussion spontan zu dem Ergebnis kommt, daß man in der nächsten Sendung die gleichen Bücher nochmal besprechen wird, aber natürlich von den jeweils anderen Kollektivmitgliedern rezensiert – dann war es entweder kontrovers oder kontrovers. Na was wohl?
„Die Suche nach dem Karfunkel, den ich als Sinnbild für die größten Sehnsüchte und das höchste Streben der acht Charaktere ansehe, ist eine Allegorie auf das Leben selbst. Dabei stellt sich, wie auch im realen Leben, heraus, dass die Erfüllung dieser Sehnsüchte nicht mit dem Erreichen des größten Glückszustandes gleichzusetzen ist. Sofern es so etwas etwas überhaupt gibt.“
Wir vom Studio B Kollektiv werden im persönlichen Gespräch mit unseren Hörern schon gelegentlich auf die von uns aus dramaturgischen Gründen verwendete Mundart angesprochen. Da wir Kunst nicht erklären, zumindest nicht die eigene, bieten wir zur diesjährigen Weihnachtssendung eine dialektische Alternative. Sie heißt Mikis Wesensbitter und Herr Falschgold kennt den sich hinter diesem Pseudonym verborgenen Menschen, Freund, ja: Menschenfreund!, seit so vielen Jahren, daß er sich weigert diese Zahl zu nennen, um die Zielgruppe nicht zu schockieren.
Neben der sprachlichen Aufmischung bietet Mikis noch zwei weitere Gründe zur Teilnahme am diesjährigen Weihnachtspalaver: Er hat einen anderen Literaturgeschmack, was in vielfältigeren Empfehlungen resultiert (s.u.) und er schreibt selbst, unter anderem hier und hier zu lesen, so daß uns Mikis die größte Freude machte konnte: zwei selbst geschriebene und performte Weihnachtsgeschichten, die unsere, wie immer feucht-fröhlichen Buchempfehlungsdiskussionskulturkämpfe bestens unterhaltend unterbrachen.
Genug jedoch! Band ab!
Buchempfehlungen:
Mikis Wesensbitter
Irvine Welsh | Kurzer Abstecher | |
John Niven | Alte Freunde |
Irmgard Lumpini
Andi Zeisler | We were Feminists once | |
Andi Zeisler | Wir waren doch mal Feministinnen | |
Annette Baldauf, Katherina Weingartner (Hg.) | Lips Tits Hits Power? Popkultur und Feminismus | |
Robert Shea (Autor), Robert A. Wilson (Autor), Udo Breger (Übersetzer) | Illuminatus! Die Trilogie: Das Auge in der Pyramide / Der goldene Apfel / Leviathan | |
Simon Chritchley | What we think about when we think about football |
Anne Findeisen
Simon Beckett | Die David Hunter Reihe Bd. 1-5 | |
Charles Baudelaire | Die Blumen des Bösen (Neuübersetzung) | |
Charles Baudelaire | Die Blumen des Bösen | |
Hans Christian Andersen | Die Märchen von Hans Christian Andersen |
Herr Falschgold
Lee Child | The Midnight Line | |
Michael Conelly | Two Kinds of Truth | |
J.D. Vance | Hillbilly-Elegie | |
RIchard Stark | Parker Serie | |
Michael Scott | Ancient Worlds: An Epic History of East and West | |
Robert Tombs | The English and their History |