„Winterromane sind wiederum allgegenwärtig weil therapeutisches Kassengold. Was bleibt einem im Winter Anderes als zu lesen. Man kann das Haus nicht verlassen, weil es zu anstrengend ist, für die paar Meter in die Bar Anoraks und Winterstiefel anzuziehen, und in die Bar in Bademantel und Schlappen gehen, das darf nur der Dude. Also liest man und was gibt es Kuscheligeres als die Vorhänge zuzuziehen um das, was man in der Stadt Winter nennt und doch nur Schlamm und Hundeshit ist zu verbergen und zu ersetzen mit Mengen und Mengen und Mengen von Schnee. Es kann nicht genug Schnee sein.“
Unnütz
„Die Stanville Women’s Correctional Facility versucht nicht zu “korrigieren”. Es handelt sich um eine Einrichtung des privaten industriellen Gefängniskomplexes, der in den USA die Ärmsten der Armen beherbergt. Absurde und grausame Anordnungen und Vorschriften, ein System, dass seine Insassen verwaltet und so weit weg von den noblen Überlegungen einer sozialen Rehabilitation entfernt ist wie die Erde vom Mars.“
Let’s talk about.. Nutzen
Niemals unnütz war es sich zu streiten und nur minder nützlicher ist es, sich zu vertragen. Was das Studio-B-Kollektiv in der Diskussion demonstriert.
Nutzen
Selbst im Vollrausch kann man noch Ratschläge bekommen wie diesen: „Es möge nutzen!“ oder kurz: Prosit. So überschreibt denn auch Anne Findeisen ihre Rezension von Peter Richters 2011er Buch „Über das Trinken“ und kommt zum Ergebnis: tut es!
Aussortiert weil unnütz sind viele der handelnden Personen im neuen Roman von Rachel Kushner, „The Mars Room“ – sie sitzen hinter Gittern, zum großen Teil lebenslänglich. Wie das beschrieben wird, sprachlich wie literarisch, beeindruckte Irmgard Lumpini, und zwar sehr.
Wie nützlich das Schlafen ist, muss Herrn Falschgold, einem passionierten Mittagsschläfer, niemand erklären. Weit wichtiger, weil überlebenswichtig bei -62 Grad Celsius, ist das in einem fiktiven Wales im neuen Buch von Jasper Fforde, „Early Riser“ oder auf volldeutsch „Eiswelt“. Von Mikis Wesensbitter in der letzen Weihnachtssondersendung empfohlen sagt Herr Falschgold in vielen Worten: brilliant!
Niemals unnütz war es sich zu streiten und nur minder nützlicher ist es, sich zu vertragen. Was das Studio-B-Kollektiv in der Diskussion demonstriert.
Es möge nützen!
„Diejenigen, die selbst auch dem Alkohol zugetan sind und solche, die von Berufswegen mit ihm zu haben, werden dieses Buch vermutlich lieben und vieles bestätigen und nachvollziehen können, von dem Herr Richter da spricht.“
Wie es gute Tradition ist seit, ähm, 2017, kommt um die Weihnachtszeit unser Freund Mikis Wesensbitter zu Besuch und stellt bei Glühwein und Gedöhns mit uns zusammen den Hörerinnen und Hörern die Lese- und Geschenkempfehlungen in den Podcast.
Ebenso Tradition ist, dass er neue Stories dabei hat, und diesmal sogar ein ganzes Buch davon: „Guten Morgen, Du schöner Merhzweckkomplex“ heisst es und wir brechen uns überhaupt keinen ab in Sachen journalistischer Ethik, wenn wir aus tiefster Überzeugung sagen, dass es unter einen jeden Gabenbaum gehört. Und wer es nicht glaubt, bekommt eine Leseprobe und dann glaubt er es mehr als der 12-jährige Herr Falschgold an den Weihnachtsmann.
Und weil sich niemand merken kann, was im Podcast so alles empfohlen wird, hier die Merkliste:
Mikis Wesensbitter:
- Jasper Fforde – „Eiswelt“
- Derek Landy „Skullduggery Pleansant – Mitternacht“
- Nina Brochmann und Ellen Støkken Dahl „Viva La Vagina“
- Susanne Kaloff „Nüchtern betrachtet wars betrunken nicht so berauschend“
Irmgard Lumpini:
- Peter Milligan, Brendan McCarthy, Carol Swain – „SKIN“
-
Harald Welzer Selbst Denken – „Eine Anleitung zum Widerstand (2013)“
- Hans Rosling und Anna Rosling Rönnlund – „Factfulness: Wie wir lernen, die Welt so zu sehen, wie sie wirklich ist“
Anne Findeisen:
Herr Falschgold:
Let’s Talk about.. Verhältnisse
Eine Rezension ist oft genug viel zu kurz um die wirkliche Begeisterung für ein Werk zum Ausdruck zu bringen. Oder zu erklären, worum es geht. Oder man kann einfach nicht genug davon bekommen und muss es noch und nochmal sagen. Leseempfehlung! 10 Minuten lang! Mindestens! So geschehen auch heute wieder in der Studio B – Diskussion..
Wien
„Die Geschichte bzw. den Mythos um die beiden Hauptpersonen bringt Böttiger direkt zu Beginn seines Buches, ohne lange Umschweife auf den Punkt. Sie, 22 jährig und aus Klagenfurt in Österreich stammend. Er, 27 jährig und gebürtig aus Czernowitz, Rumänien. Als sie sich 1948 in Wien treffen, sind beide der literarischen Öffentlichkeit noch unbekannt und ihre gemeinsame Zeit dauert gerade einmal sechs Wochen.“
Space
„Wir haben also das komplette Paket, eine Space Opera, eine außergewöhnlich begabte SchriftstellerIn, betont, und eine kongeniale Idee, die, Bonus, ein sehr abgefahrenes Storytelling erlaubt.“
Texmex
„The Son ist von unglaublicher Grausamkeit, die durch die Konzentration auf die persönlichen Geschichten der einzelnen Familienmitglieder der McCulloughs und ihre inneren Kämpfe und Haltungen dem Mythos der heroischen Geschichte Texas begegnet und zeigt, was die Grundlage für die beiden großen Erzählbilder – riesige Farmen mit unzählbaren Viehherden und Öl – gewesen ist: die Auslöschung der unterschiedlichsten Indianerstämme, der gleichzeitige und länger dauernde brutale Landraub und die Ermordung und Vertreibung der überlebenden Mexikaner durch die Weißen.“
Verhältnisse
Verhältnis. Was ein hässliches Wort, wenn man es im Kontext einer großen Liebe Liebe betrachtet, wie sie im von Anne Findeisen besprochenen Roman „Wir sagen uns Dunkles“ von Helmut Böttiger beschrieben wird. Es lieben sich Ingeborg Bachmann und Paul Celan und dass es nicht einfach war ist ein Euphemismus.
Schon brauchbarer wird das Wort wenn es um die Verhältnisse innerhalb einer Familie geht, zumal wenn sie so langlebig, verschieden und in Texas angesiedelt ist, erzählt im von Irmgard Lumpini besprochenen preisgekrönten Roman „The Son“ von Phillip Meyer.
Und endgültig angebracht ist der Begriff in der ebenfalls von Preisen überschütteten SciFi-Space-Opera-Trillogie „Ancillary Justice“, „Ancillary Sword“, „Ancillary Mercy“, denn eine Künstliche Intelligenz gibt einen rechten Shit auf ästhetische Empfindlichkeiten und wenn sie irgendetwas interessiert, dann in welchem Verhältnis die Welt zu ihr und zu einander steht.
Das alles gibt sehr viel Stoff für vertiefende Betrachtungen in der Diskussion, also, verhältnismäßig. Hüstel..
Weltsicht
Aber der Großteil der Weltbevölkerung gehört inzwischen zur Mittelschicht, die sich dadurch auszeichnet, dass genügend Essen und Elektrizität zur Verfügung stehen, alle Heranwachsenden eine Bildung erhalten, in überwiegender Zahl geimpft und nicht durch Masernepidemien bedroht sind.Dies wird nur zögerlich durch Weltorganisationen adaptiert, auch wenn Hans Rosling einen Großteil seiner Zeit dafür verwandte.
Wer sich, so wie ich, nicht zum ersten Mal in seinem Leben mit Charaktermustern und ähnlichen Dingen beschäftigt hat, dem wird auch bei der Lektüre dieses Buches Einiges bekannt vorkommen. Nichts davon ist neu, aber darum geht es auch nicht. Frau Stahl schreibt in leicht verständlicher Sprache, ohne groß auf Fachbegriffe zu verweisen, die der „Otto Normalverbraucher“ ohnehin erst nachschlagen müsste.
Zukunftssicher
Wir werden zunächst klassisch in ein klassisches Cyberpunkszenario geworfen, Japan in der Mitte des 21. Jahrhunderts, alles, was vor 30 Jahren schon Gibson und Stephenson hatten, hat auch das Jahr 2060 von Malka Older. Wir fühlen uns wohl. Es blinkt und holographiert wo man nur hinschaut, Informationsoverlays zeigen uns den Weg durch die verregnete Nacht, das Essen ist nach wie vor superb und alle reden von der kommenden Centenialwahl, eine Wahl alle 10 Jahre, gleichzeitig auf der ganzen Welt (mit Ausnahme einiger üblicher Verdächtiger wie Saudi Arabien et al), stattfindend in kleinsten Wahlkreisen von genau 100.000 Wählern.
Sachbücher, päh! Wie trocken, dachte sich das Studio B Kollektiv und stellte den Sekt, respektive G & T auf den Tisch, auf dass es in den Mikrofonen nur so klimpert. Aber weit gefehlt. Irmgard Lumpini war ganz enorm angetan von Hans Roslings „Factfulness“, einem Buch, welches Hoffnung spendet völlig ohne Spiritualität. Anne Findeisen war, vielleicht ein wenig überraschend, nicht enttäuscht von dem augenverleiernd betitelten „Das Kind in dir muss Heimat finden“ von Stefanie Stahl. Und Herr Falschgold bewegt sich mit seinem Fast-Sachbuch-Roman „Infomocracy“, geschrieben von Malka Older, am Rande der Legalität was das Sendungsthema betrifft, aber begründet wohl, warum man das Buch als Sachbuch lesen kann und muss.
Into the Future! Cheers!
Let’s talk about.. Sachbuch
Gibt es ein schöneres Geräusch als das Klimpern von Eiswürfeln in alkoholischem Getränk? Nein, aber Irmgard Lumpini, Anne Findeisen und Herr Falschgold unterlegen es zudem mit geistvoller Diskussion! (Get it? Get it?)
Prost!
Und hier die in der Diskussion angesprochenen Videos von Hans Rosling.