Abflug
Ein Buch – drei Meinungen. Oder sagen wir 2,5. Zwischen Lobpreisung und Verriss steht es nach 90 Minuten 2:1, doch es gibt Nachspielzeit – wegen einiger verbaler Aktionen, die Anne Findeisen und Herr Falschgold so nicht durchgehen lassen. Doch Irmgard Lumpini wehrt sich..
Dass wir im Studio B alle blutjung sind, merkt man an der Zeitspanne der besprochenen Klassiker und somit kommen wir in der Diskussion fast einstimmig zur gebildeten Meinung: Klassiker müssen aussortiert werden. Nicht alle natürlich.
Da es bei soundcloud gerade klemmt, hier die ganze Sendung als Link (statt direkt im Player, wie üblich)
Schon kurz nach der Erfindung des modernen Buchdruckes überstieg der Output an Geschriebenem deutlch den potentiellen Input durch Lesen während einer Lebenszeit – und die Erfindung von Twitter ca. 550 Jahre später verringerte die verfügbare Bandbreite für das, was man „Klassiker“ nennt, noch einmal ganz leicht.
Und so scheint es kein Zufall zu sein, daß sich in den Schulen der Republik der Kanon, den der Schüler stöhnend für die Klassenarbeit überfliegt, ständig wandelt.
Das Studio B Kollektiv begrüßt das belegbar, wurde doch die Aufgabenstellung „Rezensiere einen Klassiker!“ selbst von unserer literaturstudierten Anne Findeisen nicht durch Goethe oder Schiller sondern durch Ernest Hemingway, genauer „Der Garten Eden“ beantwortet.
Herr Falschgold wiederum hat das Alter, den Klassiker aus seiner Kindheit zu erinnern, hier: der alljährliche Lem, wie er in seinem Lieblingsbuchladen auftauchte und zu Disziplinlosigkeit in der Schule führte. Ja, wir sind auch entsetzt.
Irmgard Lumpini liest einen wirklich modernen Klassiker nach fünfzehn Jahren nochmals und ist erstaunt, wie sehr die Realität doch das eigentlich in weiter Zukunft angesiedelte Epos „The Diamond Age“ von Neal Stephenson eingeholt hat.
In der anschließenden Diskussion sind wir uns alle einig: auch Klassiker dürfen sterben.
Wir freuen uns immer sehr, wenn wir uns kein Thema vorgeben und völlig ohne Absprache mit Büchern unserer Wahl in’s Studio B kommen um trotzdem überraschende Gemeinsamkeiten zu finden.
Aber in dieser Sendung mussten wir erkennen, daß selbst mit größter Kraftanstrengung kein wirklich eleganter Bogen zu spannen ist zwischen dem von Anne Findeisen vorgestellten Roman „Konzert ohne Dichter“ von Klaus Modick, einem klassischen Künstlerroman, Irmgard Lumpinis Buch von J. D. Vance „Hillbilly Elegy„, einer autobiographischen Reportage aus dem, was man seit letztem Jahr wohl als „Trumpland“ bezeichnet und derm von Herrn Falschgold rezensierten “ CIA: Die ganze Geschichte“ von Tim Weiner, einer.. ähm.. Geschichte der CIA, ganz ohne verschwörungstheoretischer Aufgeblasenheit.
Und so verlief dann auch die Diskussion in sehr zivilem Rahmen. Man glaubt es kaum.
Über drei völlig unterschiedliche Bücher zu diskutieren hat den Vorteil, daß man kein einzelnes Thema hat über welches man sich die Buchrücken über den Scheitel ziehen kann (dreimal „über“ in einem Satz ist Kunst). Stattdessen kann jeder zu seinem Buch noch ein paar Sachen loswerden, die nicht in die Rezension gepasst haben. Aber das nächste mal gibt’s wieder Horbeln. Versprochen.
Bücher als Geschenke haben viel Vorteile: Sie sehen schick aus, lassen sich ob der Form auch von doppelt linksbehandeten relativ ansehnlich verpacken, und wer selbst dort versagt, schenkt Ebooks.Sie können in Mengen konsumiert werden ohne beängstigenden Blick auf Waage oder großes Blutbild. Sie bilden und amüsieren, und wenn nicht einen selbst, dann bei nächster Gelegenheit denjenigen, dem man die Schwarte weiterschenkt, wenn man es intellektuell nicht so hat.
Die Chance, daß das nicht passiert, lässt sich jedoch vergrößern, z.B. durch kompetente Beratung, zu der sich auch dieses Jahr wieder das Studio B Kollektiv bei Glühwein und Glühwein versammt hat, also nehmt es an, dieses größte aller Geschenke, den alljährlichen Studio B Weihnachtspodcast.
Und hier die Liste aller empfohlenen Werke:
https://www.amazon.de/Nix-Nathan-Hill/dp/1509807845/ref=asap_bc?ie=UTF8
https://www.amazon.de/Geister-Roman-Nathan-Hill/dp/3492057373/ref=asap_bc?ie=UTF8
http://www.calle-arco.com/book/view/22896249
http://martinseidelmusic.bandcamp.com/
Treffen sich zwei Theoretiker und ein Praktiker auf eine Flasche Sekt. Herr Falschgold und Irmgard Lumpini hören Anne Findeisen zu und teilen trotzdem aus, denn es geht um.. Gott.
Gott. Ein Thema, vor dem man im Allgemeinen kapituliert. Entweder auf den Knien, wahlweise Bauch, „Komme Herr, tue was immer Du zu tun gedenkst, das wird schon seine Richtigkeit haben“ oder mit gereckter Nase „Da knien und liegen sie und wissen es nicht besser. Idioten.“
Die richtige Handlung für beide Gruppen wäre, sich der Erkenntnisse derer zu bedienen, die nicht kapitulieren, über Gott und die Menschen nachdenken und darüber schreiben. Das die entstehenden Werke komplett unterschiedliche Formen haben können erleichtert den Zugang, denn so bleibt es spannend.
Über unsere Zeit, in der die Götter sterben schreibt Neil Gaiman nicht zum ersten Mal. Ein Spin-Off zum hier bereits rezensierten „American Gods“ ist „Anansi Boys„. Irmgard Lumpini berichtet.
Schon mit 23 Jahren vom Glauben abgefallen scheint Lautremont im Jahr 1869 zu sein. Eine Höllenfahrt aus Abscheulichkeiten, Grausamkeit und Boshaftigkeit beschreibt dieser in „Die Gesänge des Maldoror“ und Anne Findeisen ist angetan.
Wie man gläubige Menschen manipulieren kann, darüber habennTim LaHaye und Jerry B. Jenkins nachgedacht. Nicht um zu warnen, nein, um zu praktizieren. Ein ziemlich schlechtes Dreitausendseitenwerk, die „Left Behind Serie„, ist dabei entstanden und man könnte es per Verriss abtun, wäre es nicht so einflussreich gewesen. Herr Falschgold ist darob ziemlich sauer.
Zu guter Letzt diskutieren wir das Gelernte und das nicht ohne Zunder, denn: zwei Atheisten sitzen Anne Findeisen gegenüber, der Konfirmierten.
Literature, wie der Brite sagt, Littérature der Franzose, „Ernsthafte Literatur“ der Deutsche.
Das ist die eher zufällige Gemeinsamkeit dieser Studio B Ausgabe und ja, ja, wir verdrehen die Augen beim Schreiben. Es sind aber nunmal allesamt Werke, denen man sich nähert, die man nicht einfach verschlingt. Da wäre John Lanchesters „Capital“, vorgestellt von Herrn Falschgold, ein Episodenroman, aber irgendwie doch deutlich mehr. Oder „An Experiment in Love“ von Hilary Mantel, bekannt, ne berühmt geworden mit Wolf Hall, hier mit einem Gegenwartsroman, wo es alle nicht wirklich leicht haben, besprochen von Irmgard Lumpini. Und schließlich das „Buch der Illusionen“, ein etwas spröderes Werk aus dem Oeuvre Paul Austers, das sich Anne FIndeisen aussuchte.
Dafür ist die Diskussion im Anschluss aber doch recht locker, aber logischerweise keineswegs frei von Spannungen. Zwischen wem wohl..
Wenn wir uns im Studio B für eine Show kein Thema vorgeben, jeder also ein Buch nach seinem Geschmack heraussuchen kann, stellt sich jedesmal die spannende Frage, wie das alles zusammen passen wird. Und bisher jedesmal war die Antwort: sehr gut.
Diesmal wird sich die Diskussion sehr hitzig entwickeln, weil die Bücher und deren Betrachtung es in sich haben: Benjamin Black arbeitet in einem spannenden Thriller die Sachen auf, die die katholische Kirche in Irland (nicht nur) in den 1950ern angerichtet hat: „Christine Falls“ heisst das Buch und Irmgard Lumpini berichtet.
Anne Findeisen hat sich einen Klassiker aus dem Regal genommen, der, wie es so passt, von ihren beiden Mitstreitern gänzlich verschieden gesehen wird. Doch zunächst rezensiert Anne Milan Kundera’s „Die unterträgliche Leichtigkeit des Seins“.
Und schließlich nimmt sich auch Herr Falschgold einen Klassiker auf den Kindle: Don DeLillos Durchbruch „Weißes Rauschen“ und er findet ganz andere Aspekte als die Leser damals in den 80ern.
Hinterher wird aufgeräumt und es geht auch hier wie immer gut zur Sache in unserer Diskussion: „Let’s talk about.. Kakophonie“.
Frau Berg polarisiert und hinterlässt nicht auf den ersten Blick gute Laune. Zumindest nicht bei allen. Also muß erörtert werden, wem man wann ihre Bücher anempfehlen kann – und wann besser nicht.
..ist Frau Sibylle Berg nicht, wie Herr Falschgold in seiner Rezension von „Vielen Dank für das Leben“ stichhaltig belegt. Harter Tobak sind ihre Bücher nichtsdestotrotz, und die das Sendungsthema vorschlagende Irmgard Lumpini hatte gut zu kauen an „Ende gut“. Ebenfalls „Vielen Dank für das Leben“ las Anne FIndeisen und kommt uns mit Kästner, Erich. Abschließend diskutieren wir wie immer kontra und divers über alles was uns so begeistert an Sibylle Berg.
Lyrik kann einschüchtern. Deshalb lassen wir uns von Anne Findeisen zunächst zeigen, wie man eine Flasche Rotkäppchen wiederverschliest (google it) und schon sind wir locker und bereit.
Drei Gedichte, Drei Rezensionen. Kind of. Denn je kürzer der Text, desto schneller ist das Urteil gefällt.
Lyrik, you’ve been warned.