Einleitung erste Phase: Alle Palästinenser aus Israel und Jerusalem raus schmeissen. Einreiseverbot für jeden Nicht-Israeli. Gründung eines eigenen Staates Palästina.
Die arabischen Brüder sollen ihre Brüder brüderlich aufnehmen. Mauern ansonsten bitte doppelt so hoch, Tunnel zuschütten. (Die Palästinenser haben doch aber auch das Recht aufgrund ihrer Herkunft…? Haben Sie, jedoch vorerst nicht! Wer Busse hochjagt, muss Strafe stehen.)
Der Punkt ist: Es darf ein Jahr keine Toten geben. Alle müssen wieder klar denken können.
Deshalb sitzen wir ja hier zu dritt im Studio B. Ein zunächst gheimnisvoller Buchtitel wird bei einer deutschsprachigen Literatursendung spätestens beim dritten Wort zum Politikum: „Die Vereinigung jiddischer Polizisten“ von Michael Chabon.
Herrn Falschgold verwundert das, hält er das Werk doch für einen wunderbaren, funny und doch dunklen Kriminalroman im Kontext einer seltsamen dystopischen Welt, Irmgard Lumpini hebt jedoch gerade auf diese Dystopie ab und deren nur marginale „Verbesserung“ gegenüber der Shoa – und Hesh macht gleich den ganz großen Sprung und löst den Palästinakonflikt.
Daß das in der anschließenden Diskussion nicht ohne intensive Reibung passiert versteht sich. Einigkeit besteht lediglich in einer ausdrücklichen Leseempfehlung, in Original wie Übersetzung.
Bei James Salters Roman “Alles was ist” hatte ich das Gefühl dass es die Menschen selber sind, sozusagen als Element, welche eine ZEIT prägen und SIE quasi ausmachen. SIE repräsentieren die Zeit in der sie leben. Sie selber SIND die Zeit. Und das während IHRES GESAMTEN Zeitraums auf Erden. Und damit SIND Sie auch die ganze WELT. Es ist Ihre Welt.
„Alles, was ist“ hat mich an meine Grenzen geführt. Selten fiel es mir schwerer, zwischen einer langweiligen, unsymphatischen Hauptperson und dem Autoren eine klare Linie zu ziehen, umso mehr, als von anderen Rezensenten bereits häufig nach biographischen Parallelen zu James Salters gesucht wurde.
Der Titel, auch im Englischen mit “All that is” zeigt lakonisch Resignation an, vielleicht auch Langeweile, vielleicht und im besten Falle kündigt der Autor an alles, aber auch wirklich alles zu berichten, das einmal war. Finden wir das gut? Irgendwie ja. Aber es könnte auch unendlich langweilig werden.
Das Leser wie Rezensent eines Buches nur die Leinwand sind, auf den dieses sich projiziert ist logisch wie bekannt. Und so ergibt sich, dass es nicht die definitive Rezension geben kann. Selten jedoch wurde dieses Problem so trefflich in drei völlig verschiedenen Rezensionen ein und desselben Buches demonstriert:
Hesh findet fast ausschließlich Bestes in James Salters Roman „Alles was ist“, ein Buch, dass ein 88jähriger Schriftsteller der Welt hinterlässt, ein Portrait des (fiktiven) Romanhelden Philip Bowmans über die Spanne der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts.
Irmgard Lumpini findet das Buch einfach nur lang-lang-langweilig und vom Frauenbild James Salters hat sie da noch gar nicht angefangen.
Herr Falschgold übt sich in der Rolle des verständigen Opportunisten, ohne sich auch nur ansatzweise damit wohlzufühlen.
Allen Dreien stellt er in unserer Diskussion dann die Frage, ob man angesichts dieses Meinungstohuwabohus innerhalb einer Redaktion überhaupt noch rezensieren sollte. „Logo!“, antworten alle im Chor.
..John Scalzi kann als Typ des neuen Schriftstellers gesehen werden, der hierzulande mit der Veröffentlichung seiner Bücher immer noch die klassische Rolle des Senders inne hat; geographisch jedoch im englischsprachigen Raum, real jedoch für alle, die die englische Sprache lernen konnten – und ich sage hier bewusst nicht „der englischen Sprache mächtig sind“ – über seine Veröffentlichungen im Internet Debatten auslöst, Feedback zulässt und – dies ist vielleicht der größte Unterschied zum klassischen Schriftsteller, der über ein elitäres Sendungsbewusstsein verfügt – sein Publikum so ernst nimmt, dass er seine Positionen ergänzend erklärt…
..für viele Writer ein Mysterium, ist dem Alter Ego von John Scalzi in dessem letzen Roman völlig klar, wo sie herkommt: seine Stories werden wahr. Klingt lustig, aber fange an, einen Krimi zu schreiben und Du hast ein Problem. Um diese kleine brillante Idee herum kreist der, soweit konsensual vorweggenommen, sowohl storytechnisch als auch handwerklich brillante und einfallsreiche Roman „Redshirts“ für den Scalzi dieses Jahr den Hugo gewann.
„Denn wir wollen ja nicht in jeder Show die ganz tiefen Löcher graben um uns weltenschmerzend hinein zu legen!“, dachten wir, und saßen in unseren Ohrensesseln – lesen wir mal einen SciFi-Thriller, easy-peacy – aber nicht mit John Scalzi!
Denn Hesh las einen Roman über die Sinnlosigkeit des Sterbens, Herr Falschgold über Pattern Recognition und Irmgard Lumpini den eines der kritischen Geister unserer Zeit. Und doch lasen alle das gleiche Buch, und Ihr müsst das auch: John Scalzi „Redshirts“.
„Ich lebe eigentlich ganz gern unterm Schirm des Grundgesetzes, weil mir nicht egal ist, was da gleich auf Seite Eins geschrieben steht: “Die Würde des Menschen ist unantastbar.” Find ich gut. Auf das “heute” ist Frau Adamczak aber nicht besonders gut zu sprechen, fühlt Sie sich doch von tschekistschen Verbrechern in den eigenen Ahnenreihen um eine blühende Gegenwart für uns alle im Kommunismus gebracht. Und wie als hätte sie geahnt, das ich auch was von den, zumindest im Wurmfortsatz in unserer Demokratie noch gelebten Worten, äh, Werten der französischen Revolution halte: Freiheit. Gleichheit. Brüderlichkeit und so.., sagt sie uns messerscharf, wie wir gefälligst unser Lurch-Dasein hier zu werten haben…“
„Die dringlichste Frage meiner Mitrezensentinnen und unserer Hörerinnen wird sein: Warum überhaupt Kommunismus? Die Antwort ist einfach: weil das kommunistische Begehren so überdeutlich formuliert, was jede wünscht: das endlich alles anders wird, besser, und zwar, dies ist das Wichtigste, für alle. DAS ist mit keinem anderen Modell zu haben. Und es ist das einzige Modell, was in unserer Hand liegt, unabhängig von einem übernatürlichen Wesen, dessen Existenz bezweifelt werden muss..“
„Geschichtsschreibung und deren Ergebnis, Bücher, die Geschichte beschreiben, werden zumindest hierzulande, bei den Dichtern, Denkern und seit 60 Jahren Deeskalationsspezialisten als objektiv und neutral verkauft. Was Bullshit ist. Weder kann Geschichte kontextlos, objektiv erzählt werden, noch, und das ist für die heutige Show wichtiger, wird sie so erlebt – Geschichte passiert, wenn sie Dich erwischt, Dir und in einem sehr realen Kontext..“
Denn der Verfechter der geraden einfachen Wahrheit und der, der tiefschürfenden moralischen Parabel haben beide das gleiche Problem: Sie fühlen sich wie lebensrettende Sniper oder tödliche Neurochirurgen, die den Kern der conditio humana freizulegen wissen und sind im allgemeinen eher Splitterbomben, die bei fast jedem ihrer Rezipienten knapp am Herzen vorbeischiessen und diesen non-lethal getroffen vor sich hinbluten lassen. Literarische Pol-Pots.
..Siebzig Jahre nach der großen Hungersnot in Griechenland, die durch die deutsche Wehrmacht entstand, die systematisch Fertigungsanlagen demontierte und die komplette Ernte von 1941 nach Deutschland sandte und dadurch bis zu 450.000 Griechen verhungern liess, sorgt die Austeritätspolitik unter Führung der Deutschen für neue Tote: nicht nur die Zahl der Selbstmorde ist enorm gestiegen. Durch den Abbau des kommunalen Gesundheitswesens ist die Zahl der Totgeburten bei gleichzeitigem Rückgang der Geburtenrate um 22% gestiegen. In Europa, 2013..