..Die Welt ist kompliziert, und wem das nicht passt, der geht zur Montagsdemo und beschimpft unseren Aussenminister. Steinmeier wie auch McCarthy sind da weiter – die wissen das. Und ob all die Reflexionen, die in sich widersprüchlichen Kommunikationen in Buch und Film die Geschichte um den Counselor nun behindern, oder eben gerade deswegen zu etwas Besonderem machen, muss jede Leserin und jeder Leser für sich selbst entscheiden…
What a love fest. Alle freuen sich über alle Bücher, und keiner hat was zu meckern. Glaubt Ihr ja selbst nicht.. Irmgard Lumpini, Hesh und Herr Falschgold üben sich in Moderation.
Kitchen Party!
Irgendwann ist auch mal gut mit Streiten. Nachdem die letzen Werke die von uns wie hoffentlich Euch so geliebte Diskussion zur kleineren Kriegshandlung machte, irgendwo zwischen Krim und Sekt, steht diese Studio B Sendung unter dem Stern der Liebe. Zumindest, was die Diskussion betrifft. Die Werke sind zum Teil erschütternd, Herr Falschgold z.B. erzählt davon, wie bei 85% des Umsatzes an amerikanischen Börsen betrogen wird, gelesen im Buch „Flash Boys“ von Michael Lewis; zum Teil leicht gewalttätig, wie im Serienkrimi „Mord im Fernsehturm“, vorgestellt von Irmgard Lumpini; oder schwerst gewalttätig und trotzdem eine Offenbarung wie in „The Counselor“ von
Cormac McCarthy, schwer begeistert vorgetragen von Hesh.
Am Ende haben alle etwas gelernt und nüchtern ist auch keiner in’s Bett gegangen. Was Euch hoffentlich ähnlich geht:
Die Melange von intelligent, zum Teil brüllend komisch bildschaffendem Englisch und noch eines obendrauf setzendem Jiddisch versetzt den Slowreader nach ein paar Seiten Einarbeitung in ein Alaska, in dem es immer nieselt, auf Strassen schmuddeliger als der Times Sqaure 1974, nach Brackwasser stinkend, wenn es nicht nach Kotze riecht, in Hotelzimmer, in denen defekte Reklame in’s Zimmer blinkt, ein Leben nur erträglich mit Hilfe grosser Mengen Wodkas und – wenn man kein Geld hat – der billigen, untrinkbaren kanadischen Art.
Auch wenn die Juden im Werk Chabons vor der drohenden Shoa in Alaska einen Zufluchtsort gefunden haben, während entsprechende Pläne für eine Umsiedlung durch verschiedene US-Politiker nicht erfolgreich waren – die Shoa ist immer noch unbegreiflich. Statt 6 Millionen Jüdinnen und Juden sind nun 2 Millionen ermordet worden. Unfassbar jede Zahl. Die Überlebenden werden in der Figur des Vaters von Meyer Landsmann erinnert: Zitat:
„Landsmanns Vater war gerade in Sitka eingetroffen, allein, an Bord der Willwaw, frisch von einer Tour durch die Todes- und Flüchtlingslager Europas. Er war fünfundzwanzig, kahlköpfig und hatte fast keine Zähne mehr. Bei einer Körpergröße von einem Meter achtzig wog er siebenundfünfzig Kilo. Er roch komisch, redete wirr und hatte als Einziger seiner Familie überlebt. Er war unempfänglich für den sprühenden Pioniergeist im Zentrum von Sitka, für die Arbeitskolonnen junger Jüdinnen mit blauen Kopftüchern, die Negerspirituals mit Sprüchen von Lincoln und Marx auf Jiddisch sangen. Der kernige Geruch von Fisch, gefällten Bäumen und umgegrabener Erde,das Rumoren von Baggern, die Anhöhen ebneten und den Sund von Sitka füllten, das alles schien ihn nicht zu berühren. …Nichts drang in den dunklen Tunnel seiner Reise, nichts spendete ihm Licht.“
Einleitung erste Phase: Alle Palästinenser aus Israel und Jerusalem raus schmeissen. Einreiseverbot für jeden Nicht-Israeli. Gründung eines eigenen Staates Palästina.
Die arabischen Brüder sollen ihre Brüder brüderlich aufnehmen. Mauern ansonsten bitte doppelt so hoch, Tunnel zuschütten. (Die Palästinenser haben doch aber auch das Recht aufgrund ihrer Herkunft…? Haben Sie, jedoch vorerst nicht! Wer Busse hochjagt, muss Strafe stehen.)
Der Punkt ist: Es darf ein Jahr keine Toten geben. Alle müssen wieder klar denken können.
Wenn ein Buch mit dem Namen „Die Vereinigung jiddischer Polizisten“ keine lebhafte Diskussion entfacht, sind die Rezensenten tot. Irmgard Lumpini, Herr Falschgold und Hesh jedoch sind quicklebendig, was man an den dicken Halsschlagadern hören kann.
Deshalb sitzen wir ja hier zu dritt im Studio B. Ein zunächst gheimnisvoller Buchtitel wird bei einer deutschsprachigen Literatursendung spätestens beim dritten Wort zum Politikum: „Die Vereinigung jiddischer Polizisten“ von Michael Chabon.
Herrn Falschgold verwundert das, hält er das Werk doch für einen wunderbaren, funny und doch dunklen Kriminalroman im Kontext einer seltsamen dystopischen Welt, Irmgard Lumpini hebt jedoch gerade auf diese Dystopie ab und deren nur marginale „Verbesserung“ gegenüber der Shoa – und Hesh macht gleich den ganz großen Sprung und löst den Palästinakonflikt.
Daß das in der anschließenden Diskussion nicht ohne intensive Reibung passiert versteht sich. Einigkeit besteht lediglich in einer ausdrücklichen Leseempfehlung, in Original wie Übersetzung.
Bei James Salters Roman “Alles was ist” hatte ich das Gefühl dass es die Menschen selber sind, sozusagen als Element, welche eine ZEIT prägen und SIE quasi ausmachen. SIE repräsentieren die Zeit in der sie leben. Sie selber SIND die Zeit. Und das während IHRES GESAMTEN Zeitraums auf Erden. Und damit SIND Sie auch die ganze WELT. Es ist Ihre Welt.
Teil 1:
Teil 2:
„Alles, was ist“ hat mich an meine Grenzen geführt. Selten fiel es mir schwerer, zwischen einer langweiligen, unsymphatischen Hauptperson und dem Autoren eine klare Linie zu ziehen, umso mehr, als von anderen Rezensenten bereits häufig nach biographischen Parallelen zu James Salters gesucht wurde.
Der Titel, auch im Englischen mit “All that is” zeigt lakonisch Resignation an, vielleicht auch Langeweile, vielleicht und im besten Falle kündigt der Autor an alles, aber auch wirklich alles zu berichten, das einmal war. Finden wir das gut? Irgendwie ja. Aber es könnte auch unendlich langweilig werden.
Let’s Talk about.. James Salter
Hesh, Irmgard Lumpini und Herr Falschgold sehen sich einem Roman gegenüber, den jeder von Ihnen anders versteht.
Das Leser wie Rezensent eines Buches nur die Leinwand sind, auf den dieses sich projiziert ist logisch wie bekannt. Und so ergibt sich, dass es nicht die definitive Rezension geben kann. Selten jedoch wurde dieses Problem so trefflich in drei völlig verschiedenen Rezensionen ein und desselben Buches demonstriert:
Hesh findet fast ausschließlich Bestes in James Salters Roman „Alles was ist“, ein Buch, dass ein 88jähriger Schriftsteller der Welt hinterlässt, ein Portrait des (fiktiven) Romanhelden Philip Bowmans über die Spanne der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts.
Irmgard Lumpini findet das Buch einfach nur lang-lang-langweilig und vom Frauenbild James Salters hat sie da noch gar nicht angefangen.
Herr Falschgold übt sich in der Rolle des verständigen Opportunisten, ohne sich auch nur ansatzweise damit wohlzufühlen.
Allen Dreien stellt er in unserer Diskussion dann die Frage, ob man angesichts dieses Meinungstohuwabohus innerhalb einer Redaktion überhaupt noch rezensieren sollte. „Logo!“, antworten alle im Chor.
Aber hört selbst.
Sohnes Krieger
“Papa, in den Märchen wird doch genauso viel gestorben wie in Star Wars!”
“Yes, Son!”
..John Scalzi kann als Typ des neuen Schriftstellers gesehen werden, der hierzulande mit der Veröffentlichung seiner Bücher immer noch die klassische Rolle des Senders inne hat; geographisch jedoch im englischsprachigen Raum, real jedoch für alle, die die englische Sprache lernen konnten – und ich sage hier bewusst nicht „der englischen Sprache mächtig sind“ – über seine Veröffentlichungen im Internet Debatten auslöst, Feedback zulässt und – dies ist vielleicht der größte Unterschied zum klassischen Schriftsteller, der über ein elitäres Sendungsbewusstsein verfügt – sein Publikum so ernst nimmt, dass er seine Positionen ergänzend erklärt…
Mustererkennung
..Wie aber geht man als vermeintlich noch intelligenteres Wesen mit derlei schockierenden, evolutionär wie erlernte Muster auflösenden Ereignissen um? Das ist die tief und dunkel lauernde Frage unter der Oberfläche eines äußerst unterhaltsamen und vielschichtigen Romans von John Scalzi…