Die scherzhaft einleitende Frage, wofür man denn Sci Fi heute noch brauche, wird Herrn Falschgold erwartungsgemäß augenblicklich aus der äh.. Hand genommen und dieser von der Gesprächsführung dankend entbunden, damit Irmgard Lumpini und Heiko „Hesh“ Schramm der Sache auf den Grund gehen können!
..für viele Writer ein Mysterium, ist dem Alter Ego von John Scalzi in dessem letzen Roman völlig klar, wo sie herkommt: seine Stories werden wahr. Klingt lustig, aber fange an, einen Krimi zu schreiben und Du hast ein Problem. Um diese kleine brillante Idee herum kreist der, soweit konsensual vorweggenommen, sowohl storytechnisch als auch handwerklich brillante und einfallsreiche Roman „Redshirts“ für den Scalzi dieses Jahr den Hugo gewann.
„Denn wir wollen ja nicht in jeder Show die ganz tiefen Löcher graben um uns weltenschmerzend hinein zu legen!“, dachten wir, und saßen in unseren Ohrensesseln – lesen wir mal einen SciFi-Thriller, easy-peacy – aber nicht mit John Scalzi!
Denn Hesh las einen Roman über die Sinnlosigkeit des Sterbens, Herr Falschgold über Pattern Recognition und Irmgard Lumpini den eines der kritischen Geister unserer Zeit. Und doch lasen alle das gleiche Buch, und Ihr müsst das auch: John Scalzi „Redshirts“.
„Ich lebe eigentlich ganz gern unterm Schirm des Grundgesetzes, weil mir nicht egal ist, was da gleich auf Seite Eins geschrieben steht: “Die Würde des Menschen ist unantastbar.” Find ich gut. Auf das “heute” ist Frau Adamczak aber nicht besonders gut zu sprechen, fühlt Sie sich doch von tschekistschen Verbrechern in den eigenen Ahnenreihen um eine blühende Gegenwart für uns alle im Kommunismus gebracht. Und wie als hätte sie geahnt, das ich auch was von den, zumindest im Wurmfortsatz in unserer Demokratie noch gelebten Worten, äh, Werten der französischen Revolution halte: Freiheit. Gleichheit. Brüderlichkeit und so.., sagt sie uns messerscharf, wie wir gefälligst unser Lurch-Dasein hier zu werten haben…“
„Die dringlichste Frage meiner Mitrezensentinnen und unserer Hörerinnen wird sein: Warum überhaupt Kommunismus? Die Antwort ist einfach: weil das kommunistische Begehren so überdeutlich formuliert, was jede wünscht: das endlich alles anders wird, besser, und zwar, dies ist das Wichtigste, für alle. DAS ist mit keinem anderen Modell zu haben. Und es ist das einzige Modell, was in unserer Hand liegt, unabhängig von einem übernatürlichen Wesen, dessen Existenz bezweifelt werden muss..“
Manchmal muss es eben scheppern!
Nicht weil der Postbote das Paket fallen lässt, nein, viel später, wenn die Adressaten am Küchentisch sitzen und sich um den Inhalt streiten. So geschehen im Vorfeld zu den Aufnahmen zur aktuellen Studio B Sendung, als sich langsam aber sicher herausstellte, daß durch das Rezensentenkollektiv von Studio B ein schroffer Riss geht, was die Rezeption des Buches „gestern, morgen“ von Bini Adamczak betrifft.
Die Lösung: keine.
Hesh kann nur wenig gutes finden, Frau Lumpini ist begeistert. Herr Falschgold zieht sich auf die Rolle des Impressario zurück und erklärt in der Einleitung, was so verdammt schwierig an diesem Buch ist.
Alles in allem eine ganz hervorragende Situation – für unsere Hörer – selten wurde bei uns kontroverser rezensiert:
„Geschichtsschreibung und deren Ergebnis, Bücher, die Geschichte beschreiben, werden zumindest hierzulande, bei den Dichtern, Denkern und seit 60 Jahren Deeskalationsspezialisten als objektiv und neutral verkauft. Was Bullshit ist. Weder kann Geschichte kontextlos, objektiv erzählt werden, noch, und das ist für die heutige Show wichtiger, wird sie so erlebt – Geschichte passiert, wenn sie Dich erwischt, Dir und in einem sehr realen Kontext..“
Denn der Verfechter der geraden einfachen Wahrheit und der, der tiefschürfenden moralischen Parabel haben beide das gleiche Problem: Sie fühlen sich wie lebensrettende Sniper oder tödliche Neurochirurgen, die den Kern der conditio humana freizulegen wissen und sind im allgemeinen eher Splitterbomben, die bei fast jedem ihrer Rezipienten knapp am Herzen vorbeischiessen und diesen non-lethal getroffen vor sich hinbluten lassen. Literarische Pol-Pots.
..Siebzig Jahre nach der großen Hungersnot in Griechenland, die durch die deutsche Wehrmacht entstand, die systematisch Fertigungsanlagen demontierte und die komplette Ernte von 1941 nach Deutschland sandte und dadurch bis zu 450.000 Griechen verhungern liess, sorgt die Austeritätspolitik unter Führung der Deutschen für neue Tote: nicht nur die Zahl der Selbstmorde ist enorm gestiegen. Durch den Abbau des kommunalen Gesundheitswesens ist die Zahl der Totgeburten bei gleichzeitigem Rückgang der Geburtenrate um 22% gestiegen. In Europa, 2013..
Freibad
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Eines Morgens schlurfte Kenny an meinen Tisch. Schielendes Buchgedeckel: Was ich denn da so, manisch läse?
“Ein amerikanischer Albtraum” von James Ellroy.
“Heshie, das ist Dreck, davon wirst du kein besserer Mensch!”
Nun, er hatte Recht.
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Auslauf
Nach schwersten Themen wie Krieg, Truman Capote und Supergesindel hatten sich die Studio B Rezensenten etwas Auslauf verdient, konnten sich frei und ohne jedes Diktat ein Werk erwählen und kamen doch nicht ganz von dem los, was sie auch sonst so umtreibt. Rezensenten halt.
Den Anfang macht Hesh mit dem weiträumigen Heranpirschen an seine Lieblings-Shortstory: “Das Größte auf Erden” von Norman Mailer.
Irmgard Lumpini stellt ein Werk mit großem Anspruch und noch größeren Ideen vor: „Die Katastrophe verhindern – Manifest für ein egalitäres Europa“ von Zissis Papadimitriou und Karl Heinz Roth.
Herr Falschgold schlussendlich muss sich wieder über Alles und Jeden lustig machen und findet darin den perfekten Spielkameraden: Craig Ferguson mit seiner Autobiographie “American on Purpose: The Improbable Adventures of an Unlikely Patriot “und einen unerwartet tiefgründiges Werk des gleichen Comedians: „Between the Bridge and the River“.
„Was bleibt da noch zu diskutieren?“ fagten sich alle beteiligten und rundeten die Show musikalisch mit The Beatles, dem von Faschisten ermordeten griechischen Rapper Killah P, Joy Division und The Decembrists ab.
Ab in’s Gehege!
„..Gegen die Zerrbilder einer manipulierten oder willfährigen, in jedem Falle aber reisserischen Presse helfen nur Informationen aus erster Hand von Leuten, die den Krieg am eigenen Leib durchlitten. Einer unter 10000 Jungs kommt dann manchmal auf die Idee, ein Buch zu schreiben könnte ihm und anderen helfen, mit dem Irrsinn des einem widerfahrenen Alptraums besser fertig zu werden. Beim Blick auf die Lebensläufe dieser Autoren scheint das für Sie selbst nicht wirklich funktioniert zu haben, keiner von ihnen ist zu Lebzeiten mit dem Prädikat “Nach Veröffentlichung weniger geschädigt..” durchgekommen. Das komplett irrationale Wesen des Krieges, der, einmal in Gang, nur seiner eigenen mörderischen Logik folgt, ist wohl nicht zu verstehen. Verstehen sollte man vielleicht: Der Mensch als solcher kann ein blankes Vieh sein…“
Restrepo
„Woraus sich ergibt, dass Junger in seinem Leben kein Freund der Taliban mehr wird. Nicht aus heren ideologischen ZDF-Terrorismus-Expertengründen, sondern weil er ein Jahr lang in einem Vorposten in Afghanisten namens „Restrepo“ gelebt hat. Wie der Posten zu seinem Namen kam, erzählt er mit einer kleinen Geschichte über drei der Platoonmitglieder, die kurz vor dem Abmarsch ins Korangaltal nochmal das Leben genießen, einen Kurzausflug nach Rom machen..“
„…Der auch heute noch vorherrschende heteronormative Dualismus wurde von vielen Feministinnen der 2. Welle nicht bekämpft, sondern sie vertraten zu einem Großteil die Annahme, dass Frauen die besseren Menschen seien mit den positiven Zuschreibungen wie z. B. der Friedfertigkeit, die ihr auch die Gesellschaft gegeben hatte. Ein Motiv der kämpfenden Frauen, die diese auch in den Interviews bestätigten, war aber auch Rache, die vom humanistischen Gesichtspunkt aus als negativ und rückwärtsgewandt bewertet wird. Damit war es auch aus Sicht der neueren Historikerinnen schwierig, dieses Motiv anzuerkennen…“
Let’s talk about.. War.
Das konnte fast nicht ausbleiben: Eine Diskussion über Kriegsliteratur wird ratzfatz politisch und damit gut hitzig: Irmgard Lumpini, Hesh und Herr Falschgold diskutieren anhand von Lesebeispielen die unterschiedliche Perspektive von Soldaten und Offizieren im Krieg, von Frauen und Männern, von Pazifisten und Bellizisten und dürfen sich dabei gegenseitig so einiges anhören.
War. Krieg.
Existentieller als in dieser Show geht es nicht: Leben und Tod, Krieg und Frieden, Wahrheit und Legende – das sind die wiederkehrenden Themen in allen Kriegsbüchern, seitdem die Menschen diese brauchen um zu verarbeiten, was sie gerade getan haben. Heiko „Hesh“ Schramm wagt den großen Rundumschlag zu Krieg und Literatur, Irmgard Lumpini bespricht “Sag nie, Du gehst den letzten Weg” von Ingrid Strobl und Herr Falschgold stellt“WAR” von Sebastian Junger vor. Und in der Diskussion danach geht alles nochmal von vorn los, zivilisiert und dennoch streitbar. So ist das, wenn das Thema lautet: War.
We thank Rob Padley for the permission to use one of his drawings. For more of his work have a look at http://zombie365.blogspot.de
Irmgard Lumpini, Heiko Schramm und Herr Falschgold diskutieren über Truman Capote, Music for Chameleons und den Sinn und Unsinn von werkserklärenden Vorworten.