Überträgt man die biblische Geschichte – und dies liegt nun einmal nahe – auf das Buch, ist die Verkörperung der Schlange im Roman Marita. Der Leser erfährt jedoch fast nichts über sie und Hemingways Beschreibungen lassen sie weniger wie die große Verführerin, als vielmehr zurückhaltend und devot erscheinen. Was in ihr vorgeht, die Motivationen ihres Handelns oder auch ihre eigene Geschichte und Vergangenheit bleiben im Dunkeln und können nur erahnt werden.
Es ging zu machen
In den Spätwerken, hier: „Fiasko“ (geschrieben 1986) ist die Sprache konziser, aber der Übersetzer kann nicht viel älter gewesen sein als ich damals. Dialog:
„Diese Landung hast du ja noch mal sauber hingekriegt.“
„Es ging zu machen“, warf der Pilot hin.
Fibel
Was kann man Menschen zutrauen, welche Haltung besteht gegenüber der sogenannten “Natur des Menschen” – dies ist eine der zentralen Fragen von The Diamond Age. Dabei schafft Neal Stephenson mit eingestreuten Geschichten aus der Fibel, die durch Nell gesteuert wird, nebenbei noch einen Rückblick auf Technikgeschichte…
Drei völlig unterschiedliche Bücher
Wir freuen uns immer sehr, wenn wir uns kein Thema vorgeben und völlig ohne Absprache mit Büchern unserer Wahl in’s Studio B kommen um trotzdem überraschende Gemeinsamkeiten zu finden.
Aber in dieser Sendung mussten wir erkennen, daß selbst mit größter Kraftanstrengung kein wirklich eleganter Bogen zu spannen ist zwischen dem von Anne Findeisen vorgestellten Roman „Konzert ohne Dichter“ von Klaus Modick, einem klassischen Künstlerroman, Irmgard Lumpinis Buch von J. D. Vance „Hillbilly Elegy„, einer autobiographischen Reportage aus dem, was man seit letztem Jahr wohl als „Trumpland“ bezeichnet und derm von Herrn Falschgold rezensierten “ CIA: Die ganze Geschichte“ von Tim Weiner, einer.. ähm.. Geschichte der CIA, ganz ohne verschwörungstheoretischer Aufgeblasenheit.
Und so verlief dann auch die Diskussion in sehr zivilem Rahmen. Man glaubt es kaum.
„..Womit man in die Zwickmühle gerät, dem amtierenden Präsidenten der USA, sonst nicht das Zentrum meiner Empathie, irgendwie kind of mitfühlen zu können, wenn er von den Agenten in Langley nicht all zu viel hält. Aber er ist nicht der erste, der das so sieht und er wird nicht der letzte sein, der sich an einem Geheimdienst nicht die Finger verbrennen will. Denn ein Geheimdienst weiß immer mehr von Dir als Du glaubst, das ist nicht nur sein Job sondern auch seine Existenzversicherung…“
Abgehängte
„..Ein weiteres Problem ist nach J. D. Vance Schlussfolgerungen die Einstellung zur Arbeit. War in den vergangenen Jahrzehnten bei harter Arbeit ein gewisser Wohlstand möglich, sind diese Jobs nun verschwunden. Gleichzeitig wird der Wohlfahrtsstaat bzw. die staatliche Stütze als bequemes Mittel zur Eigensicherung angesehen, harte Jobs will aber niemand mehr übernehmen. Dafür führt er zahlreiche Beispiele an: einen Freund, der seine Arbeit kündigte, weil er nicht mehr zeitig aufstehen wollte, dann aber auf Facebook Obama verantwortlich macht..“
Über drei völlig unterschiedliche Bücher zu diskutieren hat den Vorteil, daß man kein einzelnes Thema hat über welches man sich die Buchrücken über den Scheitel ziehen kann (dreimal „über“ in einem Satz ist Kunst). Stattdessen kann jeder zu seinem Buch noch ein paar Sachen loswerden, die nicht in die Rezension gepasst haben. Aber das nächste mal gibt’s wieder Horbeln. Versprochen.
Künstler
„..Der Protagonist Heinrich Vogeler ist der Inszenierungen überdrüssig. So wie es von ihm erwartet wird, schlüpft er regelmäßig in sein Biedermeierkostüm, schlägt den Hemdkragen hoch und bindet sich das Halstuch. Eine Maskerade in der er sich zunächst noch gefällt, die ihm aber, wie sein großes Kunstwerk auch, bald lästig wird. Er erkennt, dass weder sein Werk noch seine Selbstinszenierung etwas mit der Wirklichkeit zu tun haben, sondern Ablenkung von eben dieser sind…“
Weihnachtsausgabe 2016
Bücher als Geschenke haben viel Vorteile: Sie sehen schick aus, lassen sich ob der Form auch von doppelt linksbehandeten relativ ansehnlich verpacken, und wer selbst dort versagt, schenkt Ebooks.Sie können in Mengen konsumiert werden ohne beängstigenden Blick auf Waage oder großes Blutbild. Sie bilden und amüsieren, und wenn nicht einen selbst, dann bei nächster Gelegenheit denjenigen, dem man die Schwarte weiterschenkt, wenn man es intellektuell nicht so hat.
Die Chance, daß das nicht passiert, lässt sich jedoch vergrößern, z.B. durch kompetente Beratung, zu der sich auch dieses Jahr wieder das Studio B Kollektiv bei Glühwein und Glühwein versammt hat, also nehmt es an, dieses größte aller Geschenke, den alljährlichen Studio B Weihnachtspodcast.
Und hier die Liste aller empfohlenen Werke:
Herr Falschgold
Nathan Hill – The Nix – Geister
https://www.amazon.de/Nix-Nathan-Hill/dp/1509807845/ref=asap_bc?ie=UTF8
https://www.amazon.de/Geister-Roman-Nathan-Hill/dp/3492057373/ref=asap_bc?ie=UTF8
J. D. Vance – Hillbilly Elegy
John Grisham – Gray Mountain – Anklage
Douglas Adams – Per Anhalter durch die Galaxis
Stephanie Danler – Sweetbitter
Wolfgang Siebeck – Alle meine Rezepte
http://www.calle-arco.com/book/view/22896249
Robert Tombs – The English and their History
Heinz Strunk – Der Goldene Handschuh
Anne Findeisen
Paul Auster – New York Trilogie
Rainer Maria Rilke – Briefe an einen jungen Dichter
Alan Lightman – Einsteins Dreams/ Und immer wieder die Zeit
Mascha Kaléko – Verse für Zeitgenossen
Haruki Murakami – Die Pilgerjahre des farblosen Herrn Tazaki
Martin Seidel – Comin’ Home
http://martinseidelmusic.bandcamp.com/
Irmgard Lumpini
A Philosophical Investigation, Philip Kerr
We could be Beautiful, Swan Huntley
Wild Lake: A Novel, Laura Lippman
Strugatzki, Arkadi & Boris: Gesammelte Werke
Jane Gardam:
Old Filth. 2004.
Ein untadeliger Mann. Übersetzung: Isabel Bogdan. Hanser, München 2015.
The Man in the Wooden Hat. 2009.
Eine treue Frau. Übersetzung: Isabel Bogdan. Hanser, München 2016.
Last Friends. 2013.
Letzte Freunde. Übersetzung Isabel Bogdan. Hanser, Berlin 2016
Eternauta, Héctor G. Oesterheld
„Anders löst der Protagonist Maldoror dieses Thema für sich. Er, dessen Name so viel wie„Sonne des Bösen“ (Aurore du Mal), oder auch „Vergolder des Bösen“ bedeutet, zelebriert die Abscheulichkeiten und besingt die Bösartigkeiten der Bestie Mensch, nicht ohne dabei auch den Schöpfer ins Gericht zu nehmen, der diese Kreatur erschaffen hat..“
„..Wer jetzt nicht so oft zu Erich von Däniken Vorträgen geht wie Irmgard Lumpini und Herr Falschgold wird sich leicht verwirrt fühlen, was ihn nur im Schweregrad vom Zustand derer unterscheidet, die den ollen Ezekiel schon gelesen haben. Ganz besonders schlimm hat es die erwischt, die dem Ezekiel, geboren 622 vor Christi Geburt in, na wo wohl?, Jerusalem, seine Prophezeiungen abnehmen. Neben besagten Herrn von Däniken, der daraus amüsante Diavorträge für 60+-jährige Ehemänner mit Bastelkeller macht, sind das besagte Tim LaHaye and Jerry Jenkins, den Autoren der Serie “Left Behind”.“
Let’s talk about.. God
Treffen sich zwei Theoretiker und ein Praktiker auf eine Flasche Sekt. Herr Falschgold und Irmgard Lumpini hören Anne Findeisen zu und teilen trotzdem aus, denn es geht um.. Gott.
„..Die Götter sterben, wenn keine Geschichten mehr über sie erzählt werden und keiner mehr an ihre Macht glaubt. Davon erzählte Neil Gaimans “American Gods”. Anansi ist – neben seinen Fähigkeiten über die Wege des Wasser, auch der Besitzer aller Geschichten, die er dem Tigergott stahl. “Anansi Boys”, das auch in der deutschen Übersetzung seinen Titel behielt, handelt von der nächsten Generation, der, die nichts mehr von den Göttern weiß…“
Gott. Ein Thema, vor dem man im Allgemeinen kapituliert. Entweder auf den Knien, wahlweise Bauch, „Komme Herr, tue was immer Du zu tun gedenkst, das wird schon seine Richtigkeit haben“ oder mit gereckter Nase „Da knien und liegen sie und wissen es nicht besser. Idioten.“
Die richtige Handlung für beide Gruppen wäre, sich der Erkenntnisse derer zu bedienen, die nicht kapitulieren, über Gott und die Menschen nachdenken und darüber schreiben. Das die entstehenden Werke komplett unterschiedliche Formen haben können erleichtert den Zugang, denn so bleibt es spannend.
Über unsere Zeit, in der die Götter sterben schreibt Neil Gaiman nicht zum ersten Mal. Ein Spin-Off zum hier bereits rezensierten „American Gods“ ist „Anansi Boys„. Irmgard Lumpini berichtet.
Schon mit 23 Jahren vom Glauben abgefallen scheint Lautremont im Jahr 1869 zu sein. Eine Höllenfahrt aus Abscheulichkeiten, Grausamkeit und Boshaftigkeit beschreibt dieser in „Die Gesänge des Maldoror“ und Anne Findeisen ist angetan.
Wie man gläubige Menschen manipulieren kann, darüber habennTim LaHaye und Jerry B. Jenkins nachgedacht. Nicht um zu warnen, nein, um zu praktizieren. Ein ziemlich schlechtes Dreitausendseitenwerk, die „Left Behind Serie„, ist dabei entstanden und man könnte es per Verriss abtun, wäre es nicht so einflussreich gewesen. Herr Falschgold ist darob ziemlich sauer.
Zu guter Letzt diskutieren wir das Gelernte und das nicht ohne Zunder, denn: zwei Atheisten sitzen Anne Findeisen gegenüber, der Konfirmierten.
Literature
Literature, wie der Brite sagt, Littérature der Franzose, „Ernsthafte Literatur“ der Deutsche.
Das ist die eher zufällige Gemeinsamkeit dieser Studio B Ausgabe und ja, ja, wir verdrehen die Augen beim Schreiben. Es sind aber nunmal allesamt Werke, denen man sich nähert, die man nicht einfach verschlingt. Da wäre John Lanchesters „Capital“, vorgestellt von Herrn Falschgold, ein Episodenroman, aber irgendwie doch deutlich mehr. Oder „An Experiment in Love“ von Hilary Mantel, bekannt, ne berühmt geworden mit Wolf Hall, hier mit einem Gegenwartsroman, wo es alle nicht wirklich leicht haben, besprochen von Irmgard Lumpini. Und schließlich das „Buch der Illusionen“, ein etwas spröderes Werk aus dem Oeuvre Paul Austers, das sich Anne FIndeisen aussuchte.
Dafür ist die Diskussion im Anschluss aber doch recht locker, aber logischerweise keineswegs frei von Spannungen. Zwischen wem wohl..
We Want What You Have
„..liest man “Capital” zunächst wie einen Polit-Thriller: man will Aufklärung, Aktionismus, Klassenkampf.
Was man bekommt ist Kapitel für Kapitel für Kapitel Einsichten in das Leben von Londonern. Boring. Wenn es nicht interessant wäre. Hochinteressant.“