„..The Summer Without Men“ ist keineswegs ein Roman ohne Männer. Ihre körperliche Abwesenheit schmälert ja keineswegs ihren Einfluß auf die Frauen und Mädchen, denen Mia begegnet. Während die Männer bei den jungen Mädchen ihres Poesiekurses noch nicht anwesend sind und gerade erst interessant werden, sind sie bei Mias Mutter und ihren Freundinnen oft lange verstorben oder verschwunden, und spielen doch in ihrem Einfluß auf das gelebte Leben, dessen Wendepunkte in persönlichen Gesprächen reflektiert werden, eine große Rolle…“
Kategorie: Rezensionen
„..Sie sind aber nur schockierendes Mittel zum Zweck – Scott Lynch ist für ein Erstlingswerk ein unerschrockener Anhänger der Theorie, dass man für die Entwicklung der Story nicht davor zurückschrecken darf, handelnde Personen – und seien Sie noch so sympathisch und ans Herz gewachsen – sterben zu lassen..“
Auch Rezensenten, denen mit dem Buch vorm Kamin der Winter nicht so viel zu schaffen machen sollte wie spargeldünnen Langlaufzealoten, geht die kalte Dunkelheit gelegentlich gehörig auf den Keks.
Um so verwunderlicher, dass dem Verfasser des Aufmachers für die aktuelle Studio B Sendung erst justament beim Schreiben dieser Zeilen auffällt, dass alle drei besprochenen Bücher zu großen Teilen in schweißtreibenden Jahreszeiten und Gegenden spielen. Das spricht wohl deutlich für die inhaltlichen Fesselungskünste der Werke, die da wären:
The Summer Without Men von Siri Hustvedt: Irmgard Lumpini ist ob des auf billigstem Papier gedruckten Paperbacks der englischen Ausgabe von Siri Hustvedts neuem Roman „The Summer Without Men“ gerührt: die älteste Geschichte des Patriarchats (Mann verläßt Ehefrau nach 30 Jahren für eine Jüngere) wird mit Poesie, seltsamen Briefwechseln, einem pornographischen Tagebuch, Wissenschaftsgeschichtskritik, unzähligen Frauen jeder Generation und einer Vorläuferin der Stitch’n’Bitch Bewegung intim und hinreißend erzählt.
Spin von Robert Charles Wilson: Offiziell ein Science Fiction Roman und passend auch mit einer grandiosen, fantastischen Idee gesegnet – aber trotzdem viel mehr als das.
und
Die Lügen des Locke Lamora von Scott Lynch: Ein gerissener Roman über gerissene Betrüger in einer Fantasywelt irgendwo zwischen Venedig und Alchemistan
Viel Vergnügen wünschen
Irmgard Lumpini und Herr Falschgold
Buchgeschenkt!
Wie jedes Jahr im Dezember wird aus „Studio B – Lobpreisung und Verriss“ das letzte beschreibende Substantiv gestrichen und ausschliesslich empfehlenswertes Lesewerk den weihnachtgeschenkpanischen Hörerinnen und Hörern an’s Herz gelegt, auf dass diese es Freund und Feind unter den Weihnachtbaumen amazonieren.
Irmgard Lumpini übernahm in diesem Jahr die Rolle der anspruchsvollen Rezensentin und Herr Falschgold empfahl dazu Gut-Triviales:
Don Delillo – Mao II.
Thoms Pynchon – Vineland
Egon Nehuhaus – Spinnewipp: Autobiographischer Roman
Uwe Johnson – Jahrestage: Aus dem Leben von Gesine Cresspahl. Einbändige Ausgabe (suhrkamp taschenbuch)
Philip K. Dick – Flow, My Tears, the Policeman Said (S.F. Masterworks)
Joachim Ringelnatz – Kinder-Verwirr-Buch
Lee Child – Größenwahn: Ein Jack-Reacher-Roman
Richard Dawkins – Die Schöpfungslüge: Warum Darwin recht hat
Ken Follet – Die Säulen der Erde: Das WDR Hörspiel. Hörspiel
Rubel rollt!
„Seine Lebensumstände sind nicht rosig. Nicht gerade als Wunschkind in proletarische Verhältnisse geboren, beschreibt er seine ersten Kinderjahre in einem Umfeld zwischen Deutschnationalen und Republikanern, in der elektrischer Strom nur für die Beleuchtung genutzt wird und auf dem Herd Wäsche und Essen gekocht werden. Und ihm ist immer klar, dass er am unteren Ende der sozialen Leiter steht, deren Einteilung er sich widersetzt. Immerhin weiß er wie alle seine Freunde bereits mit 4 Jahren, wie die anderen Geschwister gezeugt werden und hat gelernt, dass sich das gut anfühlen soll, während seine reicheren Mitschüler, die ein eigenes Zimmer hatten, überhaupt keine Ahnung haben. „
„…zum anderen wird im letzten Teil des Buches an der Kritik Collins‘ an der heutigen Frauengeneration eine weitere Motivation für „When everything changed“ deutlich: Sie stört sich – zu Recht – an den noch immer weit verbreiteten Annahmen,
dass 1. heute auch für Frauen alles möglich wäre, und
dass 2. die Geschichte der vielfältigen Auseinandersetzungen häufig auf die oft kolportierte Geschichte der angeblichen BH-Verbrennung reduziert wird und die feministischen Kämpfe als die von männerhassenden, militanten Frauen denunziert werden…“
„…Die Facebookdebatte – Sie kocht und kocht, Manifeste, Aufrufe, gar Gesetze zum Schutz der heiligen Privatsphäre werden geschrieben und was macht der Facebookuser? Er updatet seinen Status als waere nichts geschehen. Frechheit!
Der Ganzen Debatte liegt die Prämisse zugrunde, dass Informationen über mich selbst so wertvoll sind, wie mein materielles Eigentum, und damit qua bürgerlicher Gesetzgebung ebenso schützenswert.
Abgesehen davon, dass wir uns angeblich bei jedem Facebookprofilzugriff eines Fremden benehmen wie aufgescheuchte Urwaldbewohner, die glauben, der Mann mit der Kamera raube ihnen die Seele, gibt es drei ernsthafte Argumente, die der Hysterie entgegenzuhalten wären…“
„Ihre retrospektive Position ermöglicht es ihr, auf feministische Kritiken der Frauenbewegung einzugehen und gleichzeitig kontroverse Positionen von Frauen zu reflektieren.
Spiegelten in den 80er und 90er Jahren des vergangenen Jahrhunderts Kritiken an der Konzentration auf einen als weiß und von und nur für die Mittelschichtsfrauen empfundenen Kampfes einen Großteil des kritischen Diskurses zum Feminismus wider, der die Frage nach „race“ und „class“ nicht oder nur unzureichend stellte, widmet Gail Collins in „When everything changed“ ein großes Kapitel der Rassensegregation und der Rolle der schwarzen Frauen, die zwar gleichberechtigt kämpften, aber in Erfolgsmomenten nicht sichtbar waren…“
„Leslie Feinbergs „Stone Butch Blues“ ist ein Roman über das Leben in der Arbeiterklasse, und auch dies ist zuerst überraschend, werden doch transgender Bewegungen und feministische Kämpfe oft zusammen gedacht, und feministisch-theoretische Anstöße kommen oft aus einem universitären Umfeld. Unüberhörbar und unendlich groß ist die Enttäuschung, als Jess erkennen muss, dass die feministische Bewegung ihn abweist. Ihr wird unterstellt, so vom Patriarchat durchdrungen zu sein, dass sie ihr eigenes Geschlecht so sehr hasst, dass sie es ändern möchte.“
„…Denn der professionelle Koch ist oft näher am Psychopathen als andere Berufsgruppen, begründet in der ihm eigenen Arbeitszeit und dem sich daraus ergebenden Mangel an Kontakten zu Menschen aus Fleisch und Blut, denn Köche funktionieren, anders als wir, auf Basis von Cholesterin und Alkohol. Wer je das böse Grinsen eines Johann Lafer beim Präsentieren von Metbrötchen sehen musste, dessen Zubereitung er dem Fernsehpublikum 10 Minuten lang erklärt hatte, wird den Schreck nie wieder los…“
„Ursula Winnington unternimmt in ihrem „Leib- und Magenbuch“ den nicht zu unterschätzenden Versuch, der ostdeutschen Bevölkerung Gaumen- und Leibesfreuden näherzubringen und sieht sich dabei mit dem Umstand konfrontiert, dass zum Einen die gesellschaftliche Haltung gegenüber Gourmets eine abschätzige ist, und also der Versuch unternommen werden muss, mit Hilfe von Engels, Marx und anderen über jeden Verdacht der Unterdrückung der arbeitenden Klasse Erhabenen Vorurteile gegenüber allem, was nicht Standard-Kaufhallen-Einerlei-Schulspeisungsfraß ist, abzubauen und eine andere Kultur zu entwickeln…“
„Wandel und Entwicklung von gesellschaftlichen Haltungen und Ansichten, seien es kolonialistische gegenüber den ursprünglichen Lebensräumen der Tiere, und superiore gegenüber der Natur, die um jeden Preis, und sei es deren Tod, den absurden Vorstellungen der Dompteure gemäßes Verhalten zeigen sollen, und die immer wieder zu Tage tretende Motivation, nämlich der monetäre Gewinn bei so offensichtlicher Gewalt gegenüber den Tieren, lassen sich in diesem Buch, das wenig älter als 30 Jahre ist, deutlich ablesen.“
… Eine weitere Hürde für text2pot-Kocher wie den dementen Rezeptsklaven Biolek ist die durchgängig verwendete „gefühlte Mengenangabe“. Es wechseln wild exakte Angaben wie „125g Butter“ mit wagen „7 Kalbskoteletts“.
Diese werden übrigens nachdem sie in der Butter angebraten wurden, mit zwei Esslöffeln Bratenfond einige Minuten gekocht, dabei immer wieder auf den Pfannenboden gedrückt, dass sie den Fond aufsaugen. Das nennt man ein glaciertes Kalbskotelett, bzw. deren 7 und entspricht einfach nicht dem was wir hier und heute so essen…